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Die '''Viktimologie''' (), auch '''Opferforschung''' genannt, ist eine Teildisziplin der , die sich mit den Opfern von befasst. Gegenstand der Forschung sind Opferpersönlichkeitsstrukturen, der Prozess, in dem jemand zum Opfer einer Straftat wird (), Beziehungsstrukturen zwischen Opfer und Täter, die Folgen für die Opfer einer Straftat, die Interaktion zwischen Opfer und sozialen Institutionen (z. B. Justiz, Medien) und seiner sozialen Umwelt, sowie die Stellung des Opfers im Strafverfahren und die kriminalitätsbezogenen Unsicherheitsgefühle.

In Ländern, die seit Jahrzehnten regelmäßig vergleichbare Viktimisierungsstudien durchführen, ist der aus en bekannte sichtbar. Parallel wurde eine zunehmende Anzeigebereitschaft festgestellt.

Zielsetzung

Aufgabe und Ziel der Viktimologie ist es, alle individuellen, sozialen und gesellschaftsstrukturellen Prozesse des kriminellen Geschehens aus der Perspektive des Opfers zu ermitteln und aus diesen Erkenntnissen auch vorbeugende Strategien zu erstellen.

Geschichte

Erste Ansätze einer systematischen Betrachtung des Opfers kamen von dem deutschen in die USA emigrierten Kriminologen (z. B. 1947 sein wichtigstes Werk ?The Criminal and His Victim?). Hentig stellte die jeweiligen Opfergruppen in den Vordergrund. Benjamin Mendelsohn (1947) betrachtete rechtliche Gesichtspunkte. Henri Ellenberg machte auf soziale Isolation als Risikofaktor für die Opferwerdung aufmerksam.

In den 1960er Jahren entwickelte sich, vor allem in den USA, die Opferbefragung zu einem regelmäßig und vielerorts eingesetzten Erhebungsinstrument. Dies führte zu einer Verlagerung des Forschungsinteresses vom Täter auf das Opfer.

1979 wurde in Münster die World Society of Victimology ins Leben gerufen; erster Präsident wurde der Münsteraner Kriminologe .

Opfertypologien

Grundgedanke ist die Vermutung, dass manche Menschen eher Opfer von Straftaten werden als andere. Entsprechende Erkenntnisse sollen genutzt werden, Wege der Gefahrvermeidung aufgezeigt werden.

Hentig versuchte die Opferneigungen zu erfassen, indem er zwischen ?familiären? (Kindesmisshandlung, Elternmord), ?räumlich-zeitlichen? (Wochenenden sind opferträchtiger als Wochentage) und ?Altersgesichtspunkten? unterschied. Unter anderem erkannte Hentig, dass die ''berufliche Stellung'' für die Typologie von Wichtigkeit ist, so sind z. B. Taxifahrer und Prostituierte eher disponiert. Des Weiteren postuliert Hentig eine Opferwerdung aufgrund von ?Gewinn-Lebensgier?, ?eigenen aggressiven Verhaltens?, ?rassischer, völkischer oder religiöser Minderheitensituation?, ?reduziertem Widerstandes? und ?biologischer Konstitutionen?.

Mendelsohn hingegen stellt das Verhalten des Opfers in den Vordergrund, die Opfergruppierung erfolge unter schuldorientierten und rechtlichen Ansätzen. Er differenziert zwischen drei Opfergruppen: ?Unschuldige oder ideale Opfer?, ?zum Delikt beitragende Opfer? ? hierbei unterscheidet er zwischen provozierendem, willigem oder unvorsichtigem Opfer oder auch dem Opfer aus Unwissenheit. Unter die dritte Gruppe (?Opfer, das selbst ein Delikt verübt?) lassen sich jene Opfer subsumieren, welche das Delikt selbst begehen, als Beispiel ist dabei die vorgetäuschte Notwehr zu nennen.

 bezieht sich in seiner Opfertypologie auf die Interaktion zwischen Opfer und T�ter und teilt die Opfer nach ihren jeweiligen Beteiligungssituationen ein. Demnach unterscheidet er zwischen:

  • Teilnehmendes Opfer, wirkt bei der Tat selber mit, z. B. der betrogene Betrüger
  • Nichtteilnehmendes Opfer, unschuldiges Opfer
  • Latentes oder prädisponiertes Opfer, z. B. durch Leichtgläubigkeit, Naivität, Aberglauben, Isolation, Schwäche
  • Provozierendes Opfer, ?aktiv provozierend?, z. B. Tötung auf Verlangen; ?passiv provozierend? z. B. durch Sorglosigkeit oder Aggressivität
  • Falsches Opfer, durch eigenes Verhalten: z. B. Vortäuschen einer Opferrolle (Versicherungsbetrug)

Neuere viktimologische Konzepte versuchen auch, einen eventuellen Opferbeitrag zur Tat zu erarbeiten.

Zu den besonders disponierten Opfergruppen gehören: alte Menschen, wegen ihres psychischen und physischen Zustandes sind sie oftmals nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen, auch leben diese Menschen häufig in einer isolierten Umgebung. Minderjährige werden aufgrund ihrer Naivität und Hilflosigkeit häufig zur Zielgruppe von Tätern. Durch ihre körperliche Unterlegenheit zählen auch Frauen zu den potenziellen Opfern. Wegen unzureichender Sprachkenntnisse und Unerfahrenheit mit den hiesigen Lebensumständen gehören auch Ausländer und Minderheiten zu den disponierten Opfergruppen.

Die Amerikaner und brachten zum Ausdruck, dass nicht nur natürliche Personen (primäre Opfer), sondern auch juristische Personen (sekundäre Opfer) und der Staat, sowie die Regierung und die Gesellschaft (tertiäre Opfer) Ziele von Straftaten werden können.

Das Karrieremodell der Viktimisierung

Primäre Viktimisierung

Darunter versteht man die Opferwerdung direkt durch eine strafbare Handlung. Sie kann von materieller Art (Sachschaden, Eigentumsschäden), physischer Art (körperliche Schädigung) oder psychischer Art (, en, e) sein.
Die Schädigung bezieht sich nicht nur auf das Opfer, sondern auch auf das soziale Umfeld.

Tertiäre Viktimisierung

Die Selbstdefinition als Opfer wird zum Bestandteil der Persönlichkeit. Die tertiäre Viktimisierung ist das Produkt der ersten beiden Viktimisierungsprozesse. Dies führt nicht selten zur ??. Allerdings kann die tertiäre Viktimisierung auch positive Auswirkungen haben: (Sekundärer Krankheitsgewinn, Mitleid als Gewinn).
Die Viktimisierung kann dazu führen, dass beim Opfer die Überzeugung entsteht, dass trotz gezielten und überlegten Handelns die Opfersituation nicht verhindert werden kann, bei drohender Gefahr reagieren diese Menschen eher passiv.

Opferentschädigung und Opferhilfe

1963 wurde in Neuseeland das erste Gesetz zur Opferentschädigung erlassen. 1976 wurde eine entsprechende Gesetzgebung auch in Deutschland implementiert. Im selben Jahr wurde der Verein zur Unterstützung von Opfern gegründet. Das trat 1985 in Kraft.

1983 wurde die Europäische Konvention über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten durch den Ministerrat des Europarates in Straßburg anerkannt.

Der zeitliche Verlauf zeigt einen gleichmäßigen Anstieg bis zum Höhepunkt 1995. Danach fielen die Zahlen annähernd kontinuierlich. Unter Ausschluss von und gingen die Opferzahlen von 1995 bis 2019 insgesamt um 68 % zurück. Der Rückgang bei Gewaltkriminalität lag bei 70 %, der bei Raub bei 48 % und der bei Diebstahl bei 68 %.

Deutschland

Im Jahr 2001 wurde der Erste veröffentlicht und 2006 der Zweite. In diesen Berichten wurden Ergebnisse verschiedener Kriminalstatistiken und Viktimisierungsstudien zusammengefasst. Diese Studien sind wegen ihrer Systematik jedoch nur bedingt miteinander vergleichbar.<ref name=psb02-17></ref>

In den Jahren 2012 und 2017 wurde ein Deutscher Viktimisierungssurvey (DVS) durchgeführt. Diese Untersuchungen wurden bundesweit und für die gesamte Wohnbevölkerung ab 16 Jahren repräsentativ erhoben.

In den beiden DVS wurden jeweils über 30.000 Personen über einen Zeitraum von sechs Monaten in Form von computergestützten Telefoninterviews befragt. Die Gespräche dauerten durchschnittlich ca. 20 Minuten. Es wurden auch gezielt Personen mit türkischem und russischem befragt, da diese beiden Gruppen die größten Migrantengruppen darstellen, um auch deren unterschiedliche Opfererfahrungen zu erfassen.

In den DVS Erhebungen wurde nach Opfererfahrungen folgender Straftaten gefragt: Verschiedene Arten von Diebstahl, Betrug, Missbrauch von Zahlungskarten, Computerkriminalität, Raub und Körperverletzung. Aus mehreren Gründen lassen sich die Ergebnisse nicht unmittelbar mit denen der vergleichen.

Die einzige statistisch signifikante Änderung zwischen den beiden Erhebungswellen war eine Zunahme von Raub von 0,7 % auf 1 %. Nach Opfererfahrungen für Computerbetrug wurde 2012 noch nicht gefragt.<ref name=dvs2017-18></ref>

Männer wurden häufiger Opfer als Frauen. Personen mit Migrationshintergrund wurden wesentlich häufiger Opfer von Waren- und Dienstleistungsbetrug, Schadsoftware, sowie Körperverletzung.

2017 wurden auch vorurteilsgeleitete Körperverletzungen erfasst. 1,5 % der in Deutschland lebenden Menschen über 16 Jahre wurden im Erfassungszeitraum davon Opfer. Gründe waren im Wesentlichen mit 0,6 % der soziale Status, mit 0,5 % die Herkunft und mit 0,4 % die des Opfers.

Bei personenbezogenen Opfererlebnissen liegt die Anzeigequote unter 50 %, bei haushaltsbezogenen zwischen 50 und 100 %. Die niedrigsten Anzeigequote der Befragungen lagen mit 10 % bei Betrug, die höchsten mit annähernd 100 % bei . Bei haushaltsbezogenen Opfererlebnissen wurden gefragt, ob ?Ihnen oder einer anderen Person in Ihrem Haushalt? die entsprechende Viktimisierung widerfahren sei.<ref name=dvs2017-40-41></ref>

In der deutschen Strafrechtswissenschaft wird erörtert, ob durch den verstärkten Blick auf das Opfer und durch den Ausbau der Opferrechte, z. B. durch Beteiligung als waren mehr als 60 Anwälte alleine für die 95 Nebenkläger tätig.</ref>

Spezielle rechtsgeschichtliche Aspekte

  • Deutsche Geschichte:

Rezeption

Die (2006?2020) stellte mit dem von gespielten Schumann einen Viktimologen in den Mittelpunkt.

Siehe auch

Literatur

Bücher

  • Ezzat A. Fattah und Vincent F. Sacco: ''Crime and victimization of the elderly.'' Springer, New York 1989, ISBN 0-387-96973-X.
  • Michael Gottfredson: ''Victims of crime. The dimensions of risk.'' Stationery Office Books, London 1984, ISBN 0-11-340775-0.
  • : ''Der Einfluß des Opferverhaltens auf die dogmatische Beurteilung der Tat.'' Gieseking, Bielefeld 1983.
  • Reimer Hinrichs: ''Chronische Verbrechensopfer.'' Thieme, Stuttgart 1987, ISBN 3-13-711901-4.
  • Walter Kiefl: ''Soziologie des Opfers.'' Fink, München 1986.
  • (Hrsg.): ''Das Verbrechensopfer. Ein Reader zur Viktimologie.'' Studienverlag Brockmeyer, Bochum 1979, ISBN 3-88339-071-2.
  • : ''Rechtfertigung und Opferverhalten.'' Kovac, Hamburg 2004, ISBN 3-8300-1153-9.
  • Lena Stadler: ''Viktimologie des Stalking.'' Shaker, Aachen 2006, ISBN 978-3-8322-4973-1.
  • (Hrsg.) und : ''Kriminologie Lexikon''. 4. Aufl., Kriminalistik Verlag, Heidelberg 1991, ISBN 3-7832-0989-7.
  • H.-J. Kerner: ''Verbrechensfurcht und Viktimisierung''. In: W. Haesler (Hrsg.): ''Viktimologie''. Rüegger, Grüsch (Schweiz) 1986.
  • : ''Viktimologie''. Mohr, Tübingen 1975, ISBN 3-16-636511-7.
  • Wolfgang Gappmayer: ''Opferbegriff und juristische Prozessbegleitung in der StPO''. Verlag MANZ, Wien 2013, ISBN 978-3-214-03101-5.
  • Wolfgang Gappmayer (Hrsg.): ''Handbuch Opferrechte; Das 1x1 des Opferschutzes''. Verlag MANZ, Wien 2020, ISBN 978-3-214-14969-7.

Zeitschriften

  • ''Viktimologie und Opferrechte (VOR)''. Schriftenreihe der Weisser Ring Forschungsgesellschaft. Studienverlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2004.

Artikel

  • Wolfgang Gappmayer: ''Fürsorgepflicht für die Opfer'', Salzburger Nachrichten, 17. März 2014 (http://search.salzburg.com/display/sn1822_18.03.2014_41-51714685)
  • Wolfgang Gappmayer: ''Beteiligung von Opfern am Strafverfahren'', law@graz 3.2009, 10?11
  • Joachim Herrmann: In: '''' (ZIS) 3/2010, 430 (PDF; 144 kB)
  • Rainer Strzolka: ''Viktimologie. Eine Literaturübersicht.'' In: ''Bibliothek und Wissenschaft'' 15, 1981, S. 96?178.

Weblinks

  • , Kriminologie-Lexikon Online (KrimLEX), Lehrstuhl für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, Institut für Kriminologie der Universität Tübingen
  • bka.de

Einzelnachweise